Die weitgehende Integration von Kunden und Geschäftspartnern in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse von Unternehmen, sowie die Verbindung von Produktion und hochwertigen Dienstleistungen in so genannten hybriden Produkten, erfordert immer komplexere Prozesse.
Die
Steuerung dieser Prozesse
stellt viele Unternehmen vor beachtliche Herausforderungen. Die in den Unternehmen vorhandenen CRM- und ERP-Systeme sind häufig nicht geeignet die Prozesse adäquat widerzuspiegeln. In der Praxis führt dies häufig dazu, dass die Systeme umgangen oder Geschäftsmöglichkeiten nicht genutzt werden. Werden die Systeme umgangen führt dies häufig zu zusätzlichen Excelliste, in denen z.B. Aufträge, die im ERP-System nicht erfasst werden können, nun manuell geführt werden. Dass dies eine zusätzliche Fehlerquelle darstellt, muss wohl niemanden gesagt werden.
Möchten Mitarbeiter das System nicht umgehen kann der Verlust von Aufträgen und Kunden die Folge sein. Interessante und möglicherweise sehr gewinnbringende Aufträge können nicht angenommen werden, da dies im eigenen System nicht dargestellt werden kann. Warum ist dies so?
In der Regel ist der Grund dafür, dass vor Einführung der CRM- und ERP-Systeme, die vorhanden Prozesse nicht ausreichend exakt erfasst, auf Verbesserungsmöglichkeiten durchleuchtet, eindeutig dargestellt und schließlich verbessert wurden.
Eine Möglichkeit diese Prozesserfassung und -analyse zu bewerkstelligen ist der "Business Process Model and Notation"-Standard. Ein weiterer Vorteil dieser Methode besteht darin, dass nicht nur die internen eigenen Abläufe, sondern auch die Prozesse, die parallel bei Kunden und Geschäftspartnern stattfinden, erfasst und visualisiert werden können. Damit wird eine wesentliche Voraussetzung zur Transformation des Unternehmen ins Richtung Industrie 4.0 geschaffen: Digitalisierung der Prozesse und Integration von Kunden und Lieferanten in diesen digitalen Work-Flow. In der Folge wird nun kurz die Entstehung und die Ziele des BPMN, anschließend der Aufbau der Notation dargestellt. Am Ende des Beitrages wird erläutert, für welche Zwecke die so erfassten Prozesse verwendet werden können.
Die Idee zur Entwicklung eines Standards zur Notation von Geschäftsprozessen hatte der IBM-Mitarbeiter, Stehphen A. White. Der Standard wurde 2001 von ihm erstmalig veröffentlicht und 2004 von der Business Process Management Initiative (BPMI) mit dem Ziel der weiteren Verbreitung übernommen. 2005 fusionierte die BPMI mit der Object Management Group (OMG), die seitdem den Standard pflegt. Die Object Management Group® (OMG®) ist ein internationales, offenes und nicht gewinnorientiertes Technologiestandardkonsortium, das 1989 gegründet wurde. Die OMG wurde 1989 von elf Unternehmen, darunter IBM und Apple, gegründet. Mittlerweile hat die Organisation über 800 Mitglieder, unter anderem auch Microsoft. Die aktuelle Version BPMN 2.0 wurde 2011 veröffentlicht.
Im Gabler Wirtschaftslexikon wird es so beschrieben: "BPMN bezweckt eine Vereinheitlichung der verschiedenen Darstellungsformen, die heutzutage für die Prozessmodellierung Verwendung finden. Ein einheitlicher und akzeptierter Standard erlaubt die Portabilität und Interoperabilität in der Darstellung, Ausführung und Kommunikation von Geschäftsprozessen. BPMN bietet zahlreiche Möglichkeiten, einen Geschäftsprozess zu beschreiben." Ziel des Standards ist somit die Möglichkeit Geschäftsprozesse in einer einheitlichen Art und Weise zu Erfassen, damit diese zwischen Unternehmen ausgetauscht und in unterschiedlichen Softwareprogrammen verwendet werden können.
In diesem Beitrag ist es nicht möglich bzw. auch nicht sinnvoll die komplette Notation des BPMN darzustellen. Es geht viel mehr darum, Ihnen einen Eindruck davon zu vermitteln, welche Möglichkeiten der Erfassung von Geschäftsprozessen durch den Standard bereitgestellt werden. Der Standard und die komplette Beschreibung kann auf der Homepage der Object Management Group (OMG) kostenlos abgerufen werden. Ein von der OMG herausgegebenes Dokument mit Beispielprozessen können Sie unter diesem LINK (wird in einem externen Fenster geöffnet) aufrufen.
Grundsätzlich gibt es die folgenden Gruppen von Elementen, die Bezeichnungen im Standard sind in Englisch und immer kursiv in Klammer gesetzt:
- Knotenpunkte (Flow Objects) zum Startpunkte, Events, Entscheidungspunkte
- Verbindungselemente (Connecting Objects) zur Darstellung der Prozessabfolge
- Teilprozesse und Aufgaben (Subprocesses, Tasks)
- Bahnen (Pools und Swimlanes) sind Objekte zur Darstellung von Bereichen, die bestimmten Funktionsträgern oder Systemen zugeordnet werden
- Andere Elemente (Artifacts), wie z.B. Datenobjekte (Email, Auftrag, etc.)
Um die Kompatibilität zwischen unterschiedlichen Softwareprogrammen zu gewährleisten, ist bei der Erfassung der Prozesse darauf zu achten, eine Software zu verwenden die den Standard vollständig untersützt und keine eigenen Abwandlungen oder Erweiterungen hinzufügt, die in der Folge von anderen Programmen nicht richtig interpretiert werden können. Eine einfache kostenlose Möglichkeit zum Ausprobieren finden Sie hier! (Es wird ein externer Link zur Homepage des Unternehmens Camunda Services GmbH geöffnet, die eine kostenlose Cloud-Variante ihrer Software zur Erfassung von BPMN-Prozessen anbietet.) Ein wesentlicher Vorteil der BPMN-Notation ist, dass bei den Geschäftsprozessen die Ereignisse in und außerhalb des Unternehmens dargestellt werden können. Im Folgenden finden Sie ein Beispiels eines vereinfacht dargestellten Bestell- und Lieferprozesses eines Pizzalieferdienstes.
Im oben dargestellten Prozess sind die Verantwortungsbereiche der 3 Mitarbeiter (Mitarbeiter 1, der Bestellung entgegennimmt; Mitarbeiter 2, der Pizzabäcker und Mitarbeiter 3, der Botenfahrer) sowie die jeweiligen Aufgaben und Auslöser (Ereignisse) sowie die Ergebnisse (Pizza, Rechnung, Geld) dargestellt.
Auch die Darstellung von Prozessabweichungen (was passiert, wenn Kunde Pizza zu spät erhält) sind dokumentiert. Was in dieser Prozessdarstellung noch nicht berücksichtigt sind, sind unter anderem die folgenden:
- Unterprozesse (z.B. Pizza backen)
- Systeme, die zur Umsetzung der Tasks benötigt werden (z.B. ERP für Rechnungsstellung)- unterschiedliche Varianten von Ereignissen (z.B. Kunde bestellt telefonisch, per Email, in einem Online-Booking-System oder kommt persönlich ins Geschäft)
- Informationen und Mittel, die zum Ausführen der einzelnen Tasks erforderlich sind (z.B. Rezept und Zutaten für die Pizza)
Ob dies erforderlich ist, richtet sich nach der jeweiligen Aufgabenstellung. Möchte man sich einen groben Überblick über einen Prozess verschaffen ist die obige Darstellung bestimmt ausreichend. Für die Einschulung des Pizzabäckers wird es nicht reichen.
Die so erfassten Prozesse können für folgendes verwendet werden:
- Analyse und Verbesserung von Geschäftsprozessen
- Einschulung von Mitarbeitern- Digitalisierung des Workflows (z.B. als Basis eines digitalisierten Dokumentenmanagementsystems mit integriertem Workflow)
- Als Basis für die in modernen CRM- und ERP-System hinterlegten Prozesse
Abschließend ist kurz erläutert wie BPMN die Optimierung von Geschäftsprozessen unterstützen kann.
Bei der Optimierung von Geschäftsprozessen wird in der Regel in folgenden Schritten vorgegangen:
1. Prozessidentifikation
2. Prozessanalyse
3. Prozessgestaltung
4. Pozessrealisierung
5. Prozessoptimierung
6. Prozessevaluation
Jeder dieser Schritte kann mit BPMN unterstützt werden. Bei der Prozessidentifikation werden Geschäftsprozessen, die zur Erfüllung der Kundenanforderungen erforderlich sind, identifiziert und anschließend definiert. Unserer Meinung nach ist dabei immer von den aktuell im Unternehmen gelebten Ist-Prozessen auszugehen, die anhand konkreter Geschäftsfälle erfasst werden sollten.
Die andere Möglichkeit ist "Soll"-Prozesse zu definieren, die die bestmögliche Erfüllung von Kundenanforderungen ermöglichen sollen. Allerdings besteht anschließend das Problem, dass niemand weiß was zu ändern ist, um von den Ist- zu den Soll-Prozessen kommen. Dieser Fehler wird häufig auch bei der Einführung von ERP-Systemen gemacht. Die ERP-Software gibt den Prozess vor, anschließend wird verzweifelt versucht die Unternehmensprozesse dem neuen IT-Prozess anzupassen.
Die einzige Variante, bei der die Definition von Soll-Prozessen sinnvoll und notwendig ist, ist wenn komplett neue Prozesse im Unternehmen eingeführt werden (z.B. ein neuer Produktionsprozess auf Basis einer neuen Produktionstechnologie).
Die Erfassung der Geschäftsprozesse (Prozessanalyse) sollte im Zuge dieser Phase mit Hilfe einer BPMN-Prozessmodellierungssoftware möglichst detailliert erfolgen. Wichtig ist neben den Ereignissen, die Prozesse und Teilprozesse auslösen, auch solche zu berücksichtigen, die Prozesse stoppen (z.B. Rohmaterial für Produktion nicht vorhanden) oder zusätzliche Prozesse auslösen (z.B. Kunde ändert Auftrag). Des Weiteren sollte auch die Prozesse im Unternehmensumfeld (oder Kontext, wie es in den aktuellen Version der ISO 9001 genannt wird) berücksichtigt werden.
Dies bedeutet, dass man sich auch überlegt, welche Prozesse finden parallel zu den eigenen bei Kunden, Lieferanten und Kooperationspartner statt . Und wie beeinflussen diese den eigenen Prozess. Die Prozessanalyse erfolgt durch die Bewertung der in der ersten Phase identifizierten und erfassten Prozesse. Diese Bewertung erfolgt durch hinterlegung von objektiven Kennzahlen zu den einzelnen Ereignissen und Prozessschritten.
Zum Beispiel: Durchlaufzeiten (von Anfrage zu Angebot, von Kundenauftrag zu Fertigungsauftrag, usw.), Häufigkeiten (Anzahl einer bestimmten Auftragskategorie, Anzahl von Kundenreklamationen, etc.) oder Kosten (Arbeitsaufwand, Materialaufwand, externe Kosten, etc.). Auf Basis dieser Evidenz basierten Entscheidungsfindung kann anschließend die Prozessgestaltung erfolgen.
Bei der Prozessgestaltung sollen durch die Festlegung einer zeit- und ressourcengünstigen (effizienten) Ablaufstruktur die Prozesskosten gesenkt werden. Dies kann durch ablauforganisatorische Maßnahmen, wie z.B. Standardisierung, Beschleunigung und das Vermeiden von Schleifen bzw. Rückkopplungen erfolgen. Erreicht wird dies durch Weglassen, Zusammenfassen, Auslagern, Parallelisieren, Verlagern oder Ändern von Prozessschritten.
Bei der Prozessrealisierung werden, die nun neu gestalteten Prozesse in der Realität eingesetzt. Dies kann z.B. auch das Roll-Out des neuen ERP-Systems auf Basis der so definierten Prozesse sein.
Anschließend erfolgt eine weitere Optimierung der Prozesse, jetzt da man sieht wie sie in der Praxis umgesetzt werden. In der Regel werden hier noch kleinere Anpassungen an den Prozessen vorgenommen. Abschließend sollte eine Prozessevaluierung erfolgen. Hierbei handelt es sich um eine neuerliche Erhebung der in der Prozessanalyse erhobenen Kennzahlen. Dabei sollten sich Verbesserungen der Kennzahlen, z.B. Verkürzung der Durchlaufzeiten, feststellen lassen. Haben sich die Kennzahlen verschlechtert, so sind die Gründe dafür zu erheben und gegebenfalls ist die gesamte Optimierung erneut durchzuführen.
Mit Hilfe von in BPMN erfassten Prozessen haben Unternehmen einen optimalen Überblick über ihre Prozesse und können die weitgehende Integration von Kunden und Geschäftspartnern in die eigenen Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse besser steuern.
Mit Hilfe einer evidenzbasierten Prozessanalyse können die richtigen Entscheidung zur Optimierung der Prozesse getroffen werden. Des Weiteren können die so erfassten Prozesse auch zur Digitaliserung des gesamten Workflows im Unternehmen und gegebenenfalls auch mit Kunden und Lieferanten genutzt werden. Auch bei der Einführung von CRM- und ERP-Systeme können in BPMN erfasste Prozesse eine wesentliche Verbesserung der Ergebnisse erzielen.
ERP- und CRM-Lösungen (wie z.B. SAP, MSDynamics) können in BPMN 2.0. erfasste Prozess direkt übernehmen. So wird für eine wirklichkeitsgetreue Abbildung der Unternehmensprozesse sichergestellt.
Oder Sie können die so definierten Prozesse auch zur Digitalisierung Ihres Workflows mit Hilfe von Low-Code- (z.B. Processmaker) oder No-Code-Tools (z.B. Bitrix) verwenden. Auch die Verbindung einzelner Apps zu einen Workflow kann so dargestellt und anschließend leichter umgesetzt werden. Die ereignisbasierte Kombination von Apps kann zum Beispiel mit Zapier durchgeführt werden. Aber selbst Microsoft Office 365 oder die Adobe Creative Cloud bieten solche Optionen mittlerweile an.
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